Die Initianten der Fremdsprachen-Initiative überlassen es dem Regierungsrat zu entscheiden, welche Sprache im Fall der Annahme in der Primarschule unterrichtet werden soll. Und der Regierungsrat hat bereits Stellung bezogen: von Gesetzes wegen muss es Französisch sein. Das klingt zunächst verlockend für uns Französisch- lehrpersonen, doch wäre dies ein guter Entscheid für das Fach Französisch?
Sicher nicht, denn bei Annahme der Initiative käme es zu einem langen Tauziehen zwischen Bund und Kantonen, was letztlich auf Kosten des Fachs Französisch ginge. Denn viele Kantonsparlamente würden sich wahrscheinlich für Englisch entscheiden (wie gerade im Thurgau geschehen und in Appenzell Innerrhoden bereits praktiziert). Der Bund müsste dann einschreiten (Sprachenartikel, HarmoS, Lehrplan 21) und nach zermürbenden Jahren würde man wahrscheinlich wieder Französisch einführen, doch wer hätte dann noch Freude daran? Gewiss, die Situation in der Primarschule mag nicht optimal sein, und die Heraus- forderungen, mit denen Lehrpersonen der Mittelstufe konfrontiert sind, müssen ernst genommen werden. Aber das liegt nicht in erster Linie an den Fremdsprachen, die gerade einmal 9% des Unterrichts ausmachen (gegenüber 35 % Musik, Sport und Handarbeit). Es werden Studien ins Feld geführt, welche beweisen sollen, dass späterer Fremdsprachunterricht effizienter ist. Nun, dies gilt wohl für alle Fächer, deshalb spricht auch niemand von Frühmathematik oder Frühhandarbeit. Die Aargauer Studie zeigt zudem, dass eine längere Unterrichtsdauer die Lesekompetenz stark fördert. Dieser Befund erstaunt wenig, denn Leseverstehen setzt vor allem Wortschatz und Lesetraining voraus. Diese wiederum bilden die Basis des freien Sprechens. Alle wissen, dass gerade der Aufbau des Wortschatzes Zeit braucht und insbesondere schwächere Schüler auf mehr Zeit angewiesen sind. Es geht also nicht nur um die Frage des Lernbeginns, sondern auch um die Zeit, die man allen Kindern geben will, um mit den Fremdsprachen zurecht zu kommen. Die Probleme sind erkannt und Massnahmen zur Verbesserung des Sprachunterrichts ergriffen: gute Ausbildung der Lehrpersonen, Weiterentwicklung der Lehrmethoden, Erhöhung der Stundenzahl, neue Lehrmittel. Die Regelung mit Englisch ab der 3. und Französisch ab der 5. Klasse steht auf einem soliden wissenschaftlichen Fundament und entspricht einem breit abgestützten politischen und gesellschaftlichen Konsens. Wenn einige Kinder in der Primarschule überfordert sind, dann nicht wegen des Französischen, sondern eher aus anderen Gründen. Aufgrund der Komplexität des Französischen zeigt sich die Überforderung aber dort am ehesten. Der Französisch- unterricht ist sozusagen ein Indikator, dass solchen Kindern geholfen werden sollte. Hinzu kommt, aus wirtschaftlicher Sicht, dass sich Mehrsprachigkeit direkt auf den Arbeitsmarkt und den Lohn auswirkt - und zwar signifikant positiv. Die Mehrsprachigkeit macht eben gerade eine der Stärken der Schweiz aus. Und man denke daran, dass das Französisch das Erlernen weiterer romanischer Sprachen enorm erleichtert und somit Horizonte nach Italien, Spanien, Südamerika und die französischsprachigen Länder Afrikas und Indochina eröffnet. Aus all diesen Gründen sind wir gegen die Initiative für nur eine Fremdsprache an der Volksschule. Wir können nicht zulassen, dass eine auf individuellen Befindlichkeiten basierende Malaise der Primarstufe und ein Konflikt um Bildungshoheit auf dem Rücken des Fachs Französisch ausgetragen werden. Deshalb stehen wir zur geltenden Regelung und engagieren uns auf allen Stufen für einen qualitativ hochstehenden und stufengerechten Unterricht.
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Mars 2023
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